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Erste Eindrücke in Basel

Grüezi!

Im Grunde kann ich noch nichts schreiben über meine ersten Eindrücke, denn das wäre wahrscheinlich in meinem aktuellen Zustand nicht fair. Total geflasht.

Andererseits sind erste Eindrücke wie eine geöffnete Flasche Bier an einem heißen Tag: Sie müssen schnell verarbeitet werden, sonst werden sie schal.

Sonnenuntergang über der Nordsee

Beschreibe ich doch einfach mal, was in meinem Kopf herumschwirrt und dann könnt Ihr das einbeziehen wenn ihr den Rest lest.

Also: Mir ist vorher noch nie aufgefallen, wie unglaublich viele Menschen in Kontinentaleuropa tätowiert sind. Ok, ich kann nur meine Stichprobe beurteilen, und die umfaßt nur Hamburg, Basel, ein wenig Lübeck, Ostseeküste, Brüssel Flughafen, Mainz und St. Louis (in Frankreich, wo der Supermarkt ist).

Und ich rede nicht von Geweihen hinten, sondern von sehr gut sichtbaren und teilweise bemerkenswert großen oder auch direkten Werken.

Hier in Basel gehe ich auf dem Weg nach Hause durch die Fußgängerzone "Steinenvorstadt", in der es einige Open-Air-Bars gibt. Wenn ich da nachmittags durch laufe, ist es recht voll. Und weil es so warm (warm? heiß!) ist, sind kurze Kleidungsstücke angebracht, man sieht also viel Haut.

Sollte man denken. Und im UK wäre das auch der Fall, dort laufen bei diesen Temperaturen die Männer oben ohne rum, und die Frauen in Gürtel, Bauch frei und nochmal Gürtel obenrum. Ich übertreibe. Ein wenig.

In Basel hingegen sind alle zünftig gekleidet, allerdings sieht man mehr Tinte als Haut. Ich bin wirklich jeden Tag wieder sehr beeindruckt. Und das beeinflußt natürlich meine ersten Eindrücke.

Langweilig

Vor Jahren war ich mal auf einem Flug in die USA mit meinem Sitznachbarn in's Gespräch gekommen (jahaa! Das kommt vor!), einem Amerikaner der in Frankreich lebte.

Wir sprachen lange über kulturelle Unterschiede, Europa, Sprachen und Kinder. Er hatte Söhne und ich habe Töchter. Nach etwa einer Stunde waren wir uns einig, daß wir im Grunde zum Wohle unserer Kinder Länder tauschen müssten. Jungen gedeihen im UK besser als in Frankreich, und Mädchen sind in Frankreich eindeutig besser aufgehoben als im UK. Soweit das Klischee.

Aber Klischees kommen auch nicht aus dem Nichts. Und wenn man Auswanderer ist oder viel in anderen Kulturen unterwegs, dann helfen Klischees ungemein. Sie dienen quasi als Abkürzung, damit man sich schneller eingewöhnen kann. Man darf nur nicht vergessen, daß das Paretoprinzip gilt, die Klischees also nur meistens passend sind. Klischees sind noch allgemeiner als Verallgemeinerungen, also Obacht!

So. Jetzt habe ich das genug breitgeschrieben, sodaß ich vielleicht zum Kern der Sache kommen kann, ohne daß man mir Rassismus vorwirft.

Ich hatte keinerlei Klischees über Schweizer im Repertoire, und daraus schloß ich: Schweizer sind wahrscheinlich einfach unauffällig (vulgo: langweilig).

Nach einer Woche hier in Basel muß ich allerdings gestehen, daß ich falsch geschlossen hatte. Langweilig sind sie sicher nicht, die Schweizer, höchstens vielleicht diskret.

Erstens komme ich jetzt wieder auf die Flut an Tätowierungen zurück, die ich hier täglich sehe. Ich komme wirklich nicht darüber hinweg. Auf dem Flug von BRU nach BSL letzten Sonntag stieg eine Frau ein, die hatte unter ihrem linken Schlüsselbein "Welcome to my body" tätowiert. Und selbst im Nacken der Flugbegleiterin sah man ein japanisches (?) Schriftzeichen, und dabei war die von Tirolean Airlines! Echt!

Zweitens muß sich die Vielfalt an Gestalten hier in Basel nicht vor Orten wie London oder Hamburg verstecken, und dabei ist Basel nun wirklich ein paar Größenordnungen kleiner! Mein Verdacht ist, daß genau das auch der Grund ist, warum Basel sich so sehr wie eine Großstadt zu benehmen scheint oder wünscht. Es gibt hier sonst einfach nichts drumherum, außer Dörfer, Felder, Berge und Wald. Da wird die eine Stadt die da ist dann eben zu der Stadt, egal wie groß oder klein sie ist.

Umland

Wo wir gerade beim Umland sind... es ist schon recht schön hier, da kann man nicht klagen.

Wenn man Berge mag, kann man Tagesausflüge in drei verschiedene Gegenden machen: Alpen, Schwarzwald und Vogesen, alle in Reichweite. Das ist schon super!

Sieht man nicht so, aber die Strasse geht richtig steil nach unten...

Da ich Berge durchaus mag, finde ich das natürlich super. Ich bin mal gespannt, ob wir zu einer Familie von Wanderern werden hier. Glaube ich irgendwie nicht.

Anders

Schwizerdütsch ist nicht Deutsch. Also wirklich nicht. Wunderschön aus der Wikipedia: "Amtssprache von: de jure nirgendwo". Ich kann aber berichten, daß hier im Alltag definitiv nicht sogenanntes "Schweizer Hochdeutsch" gesprochen wird, sondern ganz klar Schwizerdütsch. Ich verstehe hier kein Wort!

So wie es aussieht müssen meine Kinder eine fünfte Sprache lernen.

Und am Ende noch ein paar Dinge, die hier anders sind als ich das aus dem UK oder Frankreich gewohnt bin.

Zebrastreifen sind heilig!

Ich laufe jeden Tag über ein gutes Dutzend Zebrastreifen, und bis auf 2 Fälle war das bisher absolut streßfrei. Ganz generell fahren die Autos hier angenehm zurückhaltend.

Ich finde das bemerkenswert. Basel liegt direkt an der Grenze, Frankreich und Deutschland sind nah. Nee, eigentlich liegt basel auf der Grenze, und es hat Stadtteile, die in Frankreich und Deutschland liegen. Man sieht hier eine bunt durcheinander gewürfelte Mischung aus Autokennzeichen aus 3 Ländern, in denen meiner bisherigen Erfahrung nach ganz unterschiedlich gefahren wird.

Und das ist hier nicht anders!

Fährt man nach St. Louis zum Supermarkt, kann man nicht verleugnen daß es dort auf der Straße ruppiger zugeht, ebenso in Deutschland. In Frankreich ist Autofahren ziemlich freestyle, während es in Deutschland aggressiver ist.

Trotzdem fahren in Basel selber wirklich alle gemütlich und vorsichtig, ob sie nun von hier sind oder nicht. Sehr angenehm!

Einen Platz mit richtig guter Aussieht nach Westen finde ich nicht, aber auch so ist der Ausblick ganz ok.

So viele Kollgene kenne ich noch nicht. Ich sitze zur Zeit in einem temporären Büro mit einem Schweizer und einer Westdeutschen. Mir hatte vorher jemand gesagt, Schweizer seien generell wie Briten nicht so direkt. Das kann ich zumindest für meinen Bürokollegen so nicht nachvollziehen. Der redet sehr direkt und benutzt dabei ausgiebig starke Sprache. Ich habe lange nicht mehr so oft "Das ist scheiße!" gehört wie in den letzten Tagen...

Das Geld macht mich irre. Nicht nur daß ich mich an neues Geld gewöhnen muß, nein, ich habe neben den CHF auch noch EUR in der Tasche (die ich ja auch nicht kenne) und aus dieser Mischung jeweils das rauszusuchen was ich brauche ist für einen akklimatisierten Briten eine blöde Fummelei.

Da sind wir natürlich selbst schuld, wir hätten ja nicht in eine Grenzgegend ziehen müssen. Es ist hier übrigens üblich, neben dem normalen Konto noch eines in EUR zu haben, aus naheliegenden Gründen.

Soviel für heute,

Jan

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