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Was lange währt...

Bonjour

Sturm

Der Sturm, der zunächst unsere Autos sandig gefärbt und dann wieder saubergewaschen hatte, und der in Algerien wahrscheinlich mehr als 1000 Opfer forderte, hat schlußendlich auch hier noch einiges angerichtet.

Am 13.11. fiel bei uns erstmal der Strom aus. Ich war nicht da, und auch sonst niemand von uns, Carine mußte das alleine lösen, denn das Problem betraf alle drei Häuser auf dem Gelände der Pitou.

Die gerufenen Elektriker probierten rum und schalteten dann die meisten Stromkreise wieder an, einige allerdings nicht, weil dann die Sicherung immer wieder geflogen wäre. Sie äußerten sich verwundert darüber, daß bei uns überhaupt noch so viel funktioniert, versprachen einen Kostenvoranschlag und verschwanden wieder.

Seitdem ist fast alles wieder normal. Ok, wir haben keine funktionierenden Steckdosen mehr in der Küche, die Poolumwälzpumpe wälzt nicht mehr um und der Warmwasserboiler hat irgendein Problem, aber die Zimmer haben alle Strom, und das ist ja das wichtigste erstmal — Wenn ich abends nach Hause komme, ist mein Zimmer zur Zeit 13°C warm (kalt), und ohne Elektroheizung, die mir mein Badezimmer morgens vor dem Aufstehen vorwärmt, würde ich ja nie aus dem Bett kommen!.

Im Fernsehen zeigt man jetzt öfter Bilder von der stürmischen Côte d'Azur, also Bilder von Wellen, die auf Straßen schwappen und Plastikmöbel wegschwemmen. Das erinnert mich zwar noch nicht wirklich an ein echtes Meer, aber immerhin...

Der Kostenvoranschlag war übrigens sehr witzig: FF20000 (EUR 3048,98) für einen Punkt: "Reparaturen". Bin gespannt, ob der Vermieter, dem wir das natürlich aufdrücken wollen, das wohl auch witzig findet.

Ende?

19.11.2001

Es ist soweit, 19.11.2001, heute soll die Firma geschlossen werden. Wie erwartet, haben wir seit der Entscheidung nichts mehr gehört, und jetzt sind wir natürlich sehr gespannt, was wohl heute passieren wird, und ob heute überhaupt etwas passiert.

Ich bin erst um 10h30 hier, weil ich vorher noch einen Film entwickeln lasse, auf dem vielleicht der eine oder andere Leonid zu sehen sein könnte, und natürlich ist sonst noch niemand da. Eric trifft sich mit Leuten für seinen zukünftigen Job, und Dairine liegt bestimmt noch mit dickem Schädel im Bett.

Ich gehe jetzt erstmal Mittagessen.

16h30: Keine Neuigkeiten. Eric probiert, den Anwalt zu erreichen, der eigentlich bei der Entscheidung des Gerichtes beiwohnen sollte, der ist aber nicht da. Aha. Wir rufen den Verwalter beim Staat an, aber der weiß auch nicht weiter. Er meint, wir könnten ja mal beim Gericht fragen, ob wir ein schriftliches Urteil bekommen könnten, es würde ihn aber sehr wundern, wenn das diese Woche schon fertig wäre. Er meint, wir sollen ihn am Donnerstag anrufen.

Einer dieser Wüstenregen hat die ganze Gegend mit einem rötlich-braunen Sand bedeckt.

20.11.2001

12h00: Keine Neuigkeiten.

18h00: Immer noch nichts. Eigentlich war das ja klar. Der Verwalter hat übrigens Dairine mitgeteilt, daß wir nur von ihm persönlich und in einem Gespräch unter vier Augen entlassen werden können. Solange er nicht hier ankommt oder Termine abmachen will, ist also alles in Butter.

21.11.2001

15h54: Eric telefoniert mit dem Anwalt der Gläubiger, der Montag anwesend war. Auch er weiß nicht, was genau das Ergebnis war, aber er weiß eine Nummer beim Gericht.

15h58: Eric telefoniert mit dem Gericht. Er wird nur dreimal weitergeleitet, bevor eine freundliche Person ihm mitteilt, wie das Urteil lautete: Liquidation. Der Verwalter hat 15 Tage Zeit, uns zu entlassen, also bis zum 4.12.2001. e-acute existiert nicht mehr, und zwar seit dem 19.11.2001.

Ich beschließe, heute Abend meinen Drucker mit nach Hause zu nehmen, man weiß ja nie. Morgen werde ich dann wohl meinen Brenner mitbringen und alles sichern, was hier noch so an Daten herumliegt.

22.11.2001

10h00: Ab jetzt wird gebrannt! Ansonsten nichts neues.

15h30: Von wegen! Der Brenner funktioniert noch nicht. Brrr... Ich probiere außerdem schon seit geraumer Zeit, den Administrator zu erreichen, bei dem ist aber immer besetzt.

16h15: Endlich den Administrator erreicht. Kann mir aber nicht weiterhelfen. Er sagt, das Gericht würde Eric und unserem Anwalt Bescheid geben, das hat es bisher aber nicht getan. Er meint, wir sollten erstmal weiter im Büro bleiben, wie immer.

23.11.2001

10h00: Eric erfährt eine andere Version vom Gericht: Es sei Sache des Verwalters, sich um den ganzen Kram zu kümmern. Das verspricht interessant zu werden...

15h25: Eric ruft an. Er hat sich mit dem Verwalter getroffen, welcher ihm folgendes mitteilt: Am 27.11. werden wir entlassen. Seit dem 19.11. haben wir nicht mehr das Recht, im Büro zu sein.

Ich greife also meinen Kram und verschwinde. Sichern meiner Daten schaffe ich nicht mehr.

Blick aus dem Auto nach vorne, mitten in der Nacht. Die Kamera ist auf einem Stativ auf dem Rücksitz festgezurrt.

Wieso der Verwalter noch am 20. behauptet hatte, er würde uns treffen wollen, heute jedoch sagte, es sei zu spät, das hätte vor dem 19. passieren müssen, ist mir nicht klar.

26.11.2001

18h30: Wieder zurück vom verlängerten Wochenende. Geändert hat sich nichts, das Büro ist nachwievor offen. Tja, dann kopiere ich mal meine Daten...

27.11.2001

15h00: Immer noch keine Änderung. Ich werde heute Abend das Büro verlassen und mich zuhause häuslich einrichten. Job suchen muß ich wohl auch...

18h30: Zuhause. Alles ist gerettet, mehrere CDs mit Daten sind gebrannt. Das war's. Ich habe noch schnell dem netten Mädel am Empfang gesagt, daß ich ab und an meine Post holen werde, und sie verspricht mir, selbige aufzubewahren.

21h00: Dairine erzählt, daß einer unserer Chefs die Sicherheit des CICA angerufen hat, damit sie das Büro versiegeln oder die Schlösser tauschen oder wasauchimmer.

28.11.2001

11h30: Die Empfangschefin will meine Post nicht rausrücken! Sie sagt, sie müsse erst den Liquidator fragen, und ob ich nicht dessen Telefonnummer kenne? Ich erkläre ihr, was für Post ich erwarte, und daß das alles privat sei. Sie will trotzdem in jedem Fall erstmal mit jemandem reden. Na gut. Doof...

29.11.2001

15h00: Eric und Dairine haben schon ihre Entlassung per Post, meine ist noch nicht da. Hm...

15h30: Anruf vom CICA, ich darf meine Post holen. Wow, das ging ja doch schnell...

30.11.2001

11h30: Ich hole meine zwei Päckchen beim CICA ab. Hätte nicht gedacht, daß das klappt. Die Frau teilt mir aber noch schnell mit düsterer Stimme mit, ich solle keine weitere Post mehr an's CICA senden lassen. Meine Entlassung ist immer noch nicht da.

3.12.2001

Mittags finde ich eine Benachrichtigung im Briefkasten, Einschreiben. Na das wird dann wohl meine Entlassung sein. Wieso da wohl '28.11.' draufsteht?

Montreux hat Freddy Mercury ein Denkmal gesetzt, direkt am Genfer See.

Weder Freitag noch Samstag habe ich den Zettel im Briefkasten gesehen. Mag daran liegen, daß es sowohl die 9 als auch die 27 je zweimal im Chemin des Parettes gibt.

15h15: Abgeholt! Es ist die Entlassung.

Ein Formbrief, in dem ausdrücklich darauf hingewiesen wird, daß meine Entlassung nur ökonomische Gründe hat und keinesfalls etwas mit meinen Leistungen zu tun hat. Der war gut... Jetzt fehlen nur noch der Gehaltsbogen und vor allem der Gehaltsscheck! Erst dann bin ich beruhigt...

5.12.2001

Dairine erzählt mir, daß das mit dem Gehaltsscheck wohl doch bis Weihnachten dauern wird. Tja...

Zukunft?

Nun ja, erstmal richte ich mich jetzt bei mir zuhause ein, Internet muß bestellt werden und der Rechner vernünftig installiert. Dann fange ich an, einen Job zu suchen. Angeblich ist das zur Zeit gar nicht so einfach, aber das werde ich ja dann sehen.

Hier in der Gegend bleibe ich jedenfalls bis auf weiteres, das ist sicher. ("Read my lips" ...)

Am 9.12. bin ich endlich wieder online und kann normal meine Mail lesen. Jobangebote sind bisher noch keine an mich herangetragen worden. Sollte ich etwa diesmal selber suchen müssen?

Vereinsmeier

Ich bin einen Schritt weiter auf dem Weg zum Franzosen: Ich bin jetzt in einem Verein, einer 'Association'. Und das kam so...

Vor ein paar Monaten fing Bernhard am CNRS ('Centre Nationale de la Recherche Cientifique') einen Fotokurs an. Solche Kurse werden von der CAES teilweise unterstützt, allerdings nicht einfach so. Jedenfalls nehme ich nun an dem Kurs teil, aber weil das eigentlich nicht geht und wir Nicht-CNRSler die Hälfte des Kurses stellen, und aus noch ein paar anderen Gründen mußten wir extra für die externen Teilnehmer der Kurse (es gibt noch mehr davon) einen Verein gründen, dem ich nun angehöre.

Vereine sind in Frankreich vermutlich noch beliebter als sonstwo. Es gibt über 100000 davon, pro 50 Einwohnern einen. Als Mitglied der 'Amies de Sophia' bin ich jetzt also quasi schon fast Franzose!

'Das Wetter spielt verrückt!'

Am Dienstag habe ich noch geschmunzelt über die Vorhersage, es solle am Freitag in Nice schneien.

Gestern (Donnerstag) Abend kam dann ein Sturm auf, wie ich ihn hier noch nicht gesehen habe, zumindest nicht bei uns 'in den Bergen'.

Mein Zimmer ist zwar mittlerweile etwas abgedichtet, den Luftzug von der Tür zum Flur zur Außentür spürt und hört man allerdings deutlich. Zwei der Fenster in der Küche gehen bei starkem Wind immer auf, ebenso die Haustür, wenn man sie nicht abschließt.

Das große Küchenfenster hat es heute Nacht irgendwann zerlegt, sowohl die Scheibe, als auch den Rahmen. Strom ist heute etwas kostbares, zumindest ist er keine Selbstverständlichkeit sondern fällt von Zeit zu Zeit aus. Sowas ist gut für meine Rechner...

Auf der Jagd nach spektakulären Fotos fahre ich ein wenig in Richtung Norden.

Auf dem Weg nach Gourdon zum Schneegucken, auf etwa 700m Höhe. Einen Kilometer weiter drehe ich um.

Schon in Chateauneuf, 5km von hier und vielleicht 100m höher gelegen, liegt Schnee rum. Ich nehme die Straße nach Gourdon und gerate nach wenigen Minuten in ein leichtes Schneegestöber. Die Straße ist unter dem Schnee stellenweise nicht mehr zu sehen. Cool, Winter! Es ist auch seit Tagen bannig kalt hier, der Schnee ist also nur angemessen.

An den höheren Bergen drängeln sich die Wolken und man kann durch den grauen Schleier erahnen, daß da oben reichlich Schnee liegen muß. Ich mache ein paar Fotos und friere mir dabei regelrecht die Ohren ab, denn der Wind ist auch hier oben ziemlich kräftig.

Insgesamt kommt es einem vor, als sei man gerade dabei, die Schweiz zu durchqueren, während ich unten bei uns eher den Eindruck hatte, in Dänemark zu sein. Man könnte tatsächlich behaupten, das Wetter spiele verrückt, wenn da nicht eine Kleinigkeit wäre: 'Spielen' ist nicht das Wort, daß mir bei diesem Wind angemessen erscheint...

Später am Abend ist der Wind weg und die Wolken ziehen wieder ab und hinterlassen einen klaren, sauberen Neumond-Sternenhimmel. Es ist wirklich derbe kalt. Das Unwetter scheint vorbei zu sein. Hatte das Wetter wohl keine Lust mehr... Ein schöner Abschied jedenfalls, den mir die Côte d'Azur da bereitet hat, und eine gute Vorbereitung auf die Fahrt nach Hamburg, die ich in ein paar Tagen antreten werde.

Ich wünsche Allen schöne Weihnachten und ein angenehmes neues Jahr mit vielen tollen Geschenken und positiven Überraschungen!

Sodele, dann mal schönen Dezember noch,
Jan

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