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Schimpfen Sie mit!

Jau!

Richtig Autofahren in Frankreich

Anlaß ist die kommende Ferienzeit: Ich möchte heute (aufbauend auf Projekt Wetterfrosch) zeigen, wie der deutsche Urlauber mit ein klein wenig Lernaufwand viel besser auf französischen Straßen zurechtkommen kann.

Am Beispiel einer gedachten Fahrt von der A5 bei Mulhouse rüber, dann nach Lyon und weiter in Richtung Côte d'Azur werde ich kurz einige Floskeln einführen, die dem deutschen Fahrer zu mehr Akzeptanz verhelfen können und damit zur Verkehrssicherheit beitragen, indem sie auf bestimmte, immer wiederkehrende Standardsituationen vorbereiten. Merke: Entspannter Fahrer, guter Fahrer.

Verfolgen wird also Herrn X. bei seiner Fahrt in die Ferien. Er hat seine Familie (Frau und ein Kind) und das Gepäck in den Vectra gepackt, vollgetankt, Reifendruck und Ölstand überprüft, sich beim ADAC mit den neuesten Karten und Tips eingedeckt, er hat einen Euroschutzbrief und sogar die ominöse grüne Versicherungskarte dabei. Nichts kann ihm passieren, er ist cool. Er setzt seine Sonnenbrille auf, startet den Wagen und fährt an.

Ein Delphin spielt in der Bugwelle unseres Bootes, der zweite taucht etwas tiefer.

Schon kurz hinter der Grenze - nee, Quatsch - schon kurz hinter dem Rhein erkennt Herr X. fachmännisch, daß er sich jetzt in Frankreich befindet: Die Schilder sehen irgendwie anders aus. Er kann sich nicht mehr erinnern, ob die Autobahnschilder in Frankreich nun blau waren, oder grün. War das wie bei uns? Nee, genau umgekehrt, oder? Hm...

Hinter ihm hupt ein nervöser Franzose. Herr X. wechselt nach rechts, macht eine abfällige Handbewegung und murmelt: "Ja ja...". Sofort fällt ihm ein, daß er ja nun wieder auf Französisch schimpfen muß! Er klatscht sich vor die Stirn. Jedes Jahr das Gleiche...

Ordentlich zetern!

An der ersten Péage hat er sich gefaßt und murmelt laut "Mais allez!", weil sein Vordermann das Ticket nicht aus dem Automaten zieht, sondern auf irgendwas zu warten scheint. Touristen...

Bei Besançon an einem Hang muß er hinter einer Ente auf der linken Spur bremsen, was er mit einem "Putain! C'est pas possible!" kommentiert. Dabei hebt er ruckartig seinen linken Arm aus dem Fenster bis die Hand etwa auf Kopfhöhe ist. Die offene Handfläche zeigt dabei zum Kopf. Man kennt diese Geste aus der Werbung: Italiener machen sie, wenn sie ärgerlich sind, weil ihre Frau zickt.

Nachdem die zwei Delphine eine Weile in der Bugwelle geschwommen sind, verschwinden sie wieder.

An der Péage kurz vor Lyon gerät er kurz genau zwischen zwei Schlangen von wartenden Autos. Eine gefährliche Situation! Fast jeder deutsche Autofahrer macht hier den gleichen Fehler: Er blinkt in eine Richtung und wartet, daß ihn jemand in die Schlange hereinläßt. Herr X. weiß, daß sowas nur am St. Nimmerleinstag passiert, also drängelt er sich einfach in die schnellere der zwei Schlangen hinein. Klappt immer und schont die Nerven der restlichen Familie.

Auf der folgenden Autobahnetappe zwischen Lyon und Nice wird er noch viele Gelegenheiten haben zu fluchen, insbesondere in der Gegend um Aix-en-Provence und Marseille, denn da fahren sie noch schlechter als hier.

Hier eine kurze Aufzählung mit Übersetzungen:

Und nur wenige Flüche und ebensoviele Stunden später ist die Familie glücklich und leicht ermüdet auf ihrem Zeltplatz angekommen, wo sie die nächsten 10 Tage in Ruhe und Frieden ausspannen und die Sonne genießen wird.

Angesichts der Tatsache, daß uns Einwohnern solche Leute wie Herr X. im Sommer regelmäßig ganz fürchterlich auf die Nerven gehen, weil sie so lahm rumgurken, wird Herr X. wahrscheinlich dieses Jahr wieder viele neue Flüche aufschnappen können. Ich werde ebenfalls neue Flüche lernen (oder erfinden), und so profitiert einer vom anderen. Eine schöne Symbiose.

Auf dem Weg nach Korsika. Dieses Bild ist natürlich gestellt, der Autopilot war an.

Fahrende Händler

Eine der "kleineren Mysterien" dieses Landes (von denen Frankreich wahrscheinlich noch unendlich viele für mich bereithält) sind die Autositzbezugverkäufer.

Manchmal sieht man irgendwo am Wegesrand (vorzugsweise an Ortseingängen oder Kreiseln direkt neben Einkaufszentren) Lastwagen stehen, bei denen eine Seite hochgeklappt ist, und aus denen heraus Sitzbezüge für Autositze verkauft werden. Das finde ich ungewöhnlich.

Sitzbezüge verkaufen sich in meiner Welt in diesen Läden, in denen man auch die breiten Reifen bekommt, sein Autoradio kaufen und sich eine Freisprecheinrichtung für's Taschentelefon einbauen lassen kann. Und natürlich gibt's Sitzbezüge bei Wertkauf, oder wie das jetzt heißt.

In Frankreich ist das nicht anders, trotzdem gibt es auch noch diese Lastwagen, und ich frage mich wirklich, was zu so einer komischen Sitte geführt haben mag.

Dazu kommt, daß diese Ereignisse schon einige Tage vorher überall im Umkreis von 10km durch etwa DIN A4 große Zettel bekanntgegeben werden, die an Laternen, Schildern und sonstwo hängen, als wäre es das größte Ereignis im Lande. Man kennt diese Art von Zetteln aus Deutschland für andere Einsätze, z.B. die beliebten Shows, bei denen ganz große, amerikanische Autos mit riesigen Reifen eine ganze Reihe alter, normaler Autos zu Brei fahren. Auch komisch, wenn ich's recht bedenke.

Ich finde aber die Autositzbezugverkäufer wirklich merkwürdig. Auf der anderen Seite ist es ja eigentlich passend, daß gerade Autositzbezüge von quasi "fahrenden Händlern" verkauft werden.

Korsika

Schon wieder Korsika? Jau, und zwar diesmal sozusagen zu Fuß!

Auf dem Meer sieht so ein Sonnenuntergang auch nicht schlecht aus ...

Mein ehemaliger Boß hat sich ein Segelboot gekauft, und er kennt jemanden, der es im Sommer auf Korsika an Touristen vermietet. Auf diese Weise verdient sich das Boot sein Winterlager quasi selber, und im Frühjahr und Herbst kann man Segeln gehen.

Das Boot war nun aber in einem Hafen zwischen Cannes und Théoule-sur-Mèr, mußte also erstmal nach Korsika überführt werden. Weil ich schonmal irgendwann damit geprahlt hatte, ich hätte meine Kindheit und Jugendzeit auf Segelbooten quasi gelebt, sollte ich natürlich mitkommen. Hm... ok. Zum Glück kam dann noch ein vom Vermieter gestellter Segler dazu, das war angenehm beruhigend.

Nach Korsika segeln ist vollkommen anders als Segeln zwischen Nordseeinseln. Im Grunde ist es einfach: Man läuft aus dem Hafen aus, fährt an eventuell störenden Landzungen vorbei, läßt währenddessen sein GPS-Gerät den Kurs zum Ziel anzeigen, und sobald man in die Richtung freie Sicht hat, wirft man den Autopiloten ("Charlie") an.

Später hat man dann je nach Windstärke und -richtung vielleicht noch Lust, das eine oder andere Segel zu entrollen. Und irgendwann ist man dann da, z.B. 26 Stunden später, wenn man nach Ajaccio segelt (Nee, das ist nicht viel! 122 Seemeilen ist die Strecke lang, das macht etwa 4.7 Knoten, und so schnell läuft so ein Segler nunmal im Schnitt, wenn der Wind nicht gerade derbe ist. Unser Rekord waren 6.7 Knoten).

Die Highlights dieser Tour waren zwei Delphine und eine Nachtwache unter teils klarem Himmel.

Ein 16mm Fisheye Objektiv eignet sich gut, um die Kugelgestalt der Erde zu veranschaulichen.

Wolken sind nachts schwarz

Die Delphine kamen irgendwann am Nachmittag vorbei, um nachzusehen, was da wohl schon wieder schwimmt. Wenn man Delphine sieht, kann man gegen den Rumpf des Bootes klopfen, das scheint die Delphine zu interessieren. Wenn man Glück hat, kommen sie dann dicht an's Boot heran und spielen in der Bugwelle. Das sieht schon einigermaßen spektakulär aus.

Weil so ein Boot aber seinerseits nicht mit Delphinen spielen kann, wird es ihnen bald langweilig und sie verschwinden wieder.

Gegen Abend teilen wir die Nachtwache ein, und weil ich mich noch erinnern kann, daß ich früher nicht gerne unter Deck war, übernehme ich Mitternacht bis 3 Uhr, mit dem Hintergedanken, daß ich vorher sowieso nicht schlafen werde, und danach vielleicht so müde bin, daß mir Seekrankheit egal ist.

Von 0:30 bis 3:30 sitze ich also alleine auf dem Boot, um mich herum ist das Meer komplett schwarz, bis auf vereinzelte Reflexe der Positionslichter, und natürlich die Lichter anderer Boote am Horizont.

Radar ist eine gute Erfindung, mich beruhigt die Idee ungemein, daß ein Alarm losgeht, sobald jemand zu nahe kommt. Ich stelle den Alarm auf 2 Seemeilen ein und gucke mir dann die Sterne an. Die Wolken vom Nachmittag sind nach der Dämmerung alle verschwunden, und man kann sehr gut die Milchstraße erkennen. Die Sicht ist so gut, daß ich trotz des Schaukelns ein paar Dinge im Fernglas erkennen kann.

Die komischen schwarzen Stellen im Süden entpuppen sich später als Wolken: Wenn es wirklich dunkel ist, sind Wolken nachts schwarz! Sowas kennt man als Stadtbewohner ja gar nicht mehr, bei mir z.B. sind Wolken meist orange-rot, weil die Straßenlaternen im Industriegebiet Grasse alle orange leuchten.

Ein paar Fähren kreuzen vor uns am Horizont, wahrscheinlich auf dem Weg nach Marseille. Hinter uns erscheinen zwei große Motoryachten, die man übrigens schon erstaunlich weit weg hören kann. Und vor uns sehe ich einen einzelnen Lichtpunkt, der einem anderen Segler gehört. So ein Meer ist bemerkenswert groß, aber natürlich kommt der Segler exakt auf uns zu, und zwar ebenfalls mit Autopilot, sodaß ich beschließe, den Autopiloten erstmal abzuschalten und ein wenig auszuweichen. Eine halbe Stunde lang segle ich also selber, und das fühlt sich nachts wirklich interessant an.

Die nächsten Tage sind eigentlich als Segeltage geplant, aber der Regen beschließt, den Rest der Woche damit zu verbringen, auf Korsika zu fallen. Zum Glück ist mir das sowieso egal, weil ich wegen eines kleinen Problems am Auto meiner Freundin wieder mal früher nach Hause fliege.

Tja, und nun sitze ich wieder hier und bereite die Revolution in der Benutzung moderner, tragbarer Computer vor.

Schönen Sommer noch,
Jan

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