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A Grand Day Out

Goddag!

Aus der Höhle ...

Ich sitze in einem Boot. Es ist kalt. Hinter mir sitzen weitere 15 Leute mit Helmen auf den Köpfen. Auch ich trage einen Helm. Das Boot gleitet langsam einen sehr engen Kanal entlang, es stößt von Zeit zu Zeit rechts oder links an. Alle 20 Meter hängt eine trübe Lampe links an der Wand, ansonsten ist es dunkel. Ich sitze recht geduckt, denn die Decke ist nur etwa 10cm über meinem Kopf: Wir fahren durch einen ehemaligen Stollen, der zur Hälfte mit Wasser gefüllt ist. Eindeutig nicht geeignet für Leute, die sich in engen Räumen nicht wohlfühlen!

Zur Hälfte gefluteter Stollen eines alten Bergwerkes. Die Lichter hinten sind das nächste Boot.

Im Peak District gibt es Berge (daher der Name), Stauseen, Schafe, Wanderwege und eben Höhlen, letztere vor allem in der Gegend um Castleton. Und natürlich gibt es jede Menge Touristen im Peak District oder besser gesagt Wochenendausflügler.

Die Bootsfahrt in die Speedwell Cavern geht durch etwa 500m sehr engen Kanal, danach landet man in einer mittelgroßen Höhle. Der Kanal ist künstlich, er wurde von Minenarbeitern gesprengt. Er geht hinter der Kammer auch weiter, die Führung geht aber nur wieder mit dem Boot zurück.

Folgte man dem Kanal über die Kammer hinaus, fände man ein etwa 17km langes Gewirr von Tunneln, Schächten, Kammern, unterirdischen Flüssen und Seen. Das System umfaßt Peak Cavern, Speedwell Cavern, James Hall's Over Engine Mine und Titan, den höchsten unterirdischen Schacht Englands, immerhin satte 141m hoch (oder tief, je nach Standpunkt) und erst 1999 entdeckt.

... durch die Lüneburger Heide und Schwedens Wälder ...

Der Peak District ist voller runder Hügel, die man eigentlich besser Buckel nennen sollte, weil sie selten schroff sind. Bäume findet man im Peak District dennoch eher in den Tälern, die Kuppen der Hügel sind hauptsächlich mit Gras und Heidekraut bewachsen. Ich bin gespannt, wie das im August aussehen wird, wenn es blüht... jedenfalls erinnert es ein wenig an die Lüneburger Heide.

Kopffreiheit? Was ist das?

Peak District ist ein Nationalpark. Außerdem regnet es dort viel. Um den District herum liegen Industrieregionen (Sheffield, Leeds, Nottingham und Manchester) in denen nach diversen Choleraepidemien am Ende des 19ten Jahrhunderts langsam der Verdacht aufkam, man könne sauberes Trinkwasser gut gebrauchen.

Also wurde um 1900 die Planung für große Trinkwasserreservoirs im Peak District gestartet, und 1912 und 1916 wurden Howden Reservoir und Derwent Reservoir fertiggestellt. Die Dämme waren aus Stein errichtet worden, im viktorianischen Stil. Das scheint relativ selten zu sein, denn vorher und nachher wurden Dämme eher aus Erde gebaut, bzw. noch später dann aus Beton.

Der Derwent-Damm, 1916 fertiggestellt. Eine beeindruckende Wand aus Stein!

Der dritte Damm im Bunde, Ladybower, wurde 1943 fertig und staute das damals größte Reservoir Englands. Zwei Jahre dauerte es, bis es vollgelaufen war, und zwei komplette Dörfer versanken im Wasser!

Heute sind die drei Reservoirs ein beliebtes Ausflugsziel. Man kann in den Wäldern drumherum wandern, Schafe angucken oder Blaubeeren suchen, und man könnte sogar an und auf den Seen angeln, wenn das nicht so langweilig wäre...

Wie schon beim letzten Besuch fahren wir hauptsächlich durch die Gegend und halten ab und zu an den interessanten Stellen an. Wir wundern uns über ein Tropenhaus in Buxton, begucken eine uralte Kirche in xxx, fahren im Boot durch den unterirdischen Stollen, bestaunen Mam Tor, eine der wenigen schroffen Felswände, blöken Schafe an und steigen am Derwent Damm vorbei und gucken das Derwent Reservoir an.

... nach Dänemark an die Küste

Am nächsten Tag landen wir zufällig an der dänischen Nordseeküste.

Wenn man von Liverpool aus nach Norden an der Küste entlang fährt, kommt man irgendwann nach Southport, "Paris des Nordens", "Juwel des Nordwestens", Englands Golf-Hauptstadt und beliebter Konferenzort.

Klingt schrecklich langweilig, ist es auch, deswegen biegen wir auf halber Strecke ab und landen mehr zufällig in Formby und dann an einem Parkplatz inmitten schöner Sanddünen, der mich entfernt an etwas zu erinnern scheint.

Formby Point, Dänemark mitten in England...

Ich steige aus dem Auto und frage mich, wie ich wohl so schnell nach Dänemark geraten bin? Die Sanddünen, das klassische Dünengras, ein paar geduckte Nadelbäume weiter hinten, Sonne und Wind, die Illusion ist wirklich perfekt.

Wir gehen über die Dünen zum Strand, Formby Point, barfuß natürlich, denn der Sand ist recht warm, wo die Sonne ihn wärmt. Von einer der höheren Dünen aus hat man einen guten Überblick, und ich könnte schwören, auf Fanö zu sein, oder auch auf Sylt oder Spiekeroog!

Vom Kamm der vordersten Dünen aus blickt man auf etwa 100m Strand und dann nochmal weitere 200m Sand weil nicht ganz Hochwasser ist. Ein paar Tümpel sind übriggeblieben, als das Wasser vor ein paar Stunden abgelaufen ist, und eine klare, weiße Reihe Muschelschalen kennzeichnet, bis wohin es beim letzten Hochwasser stand.

...Dünen, Sand, Sonne und Wind.

Ich fühle mich 25 Jahre in meine Kindheit zurück versetzt und vor allem bin ich echt überrascht. Dänemark mitten in England, und das auch noch gleich bei uns um die Ecke! An einem der Tümpel stehen zwei Kinder im Wasser und suchen wahrscheinlich nach Krebsen. Genau das hätte ich damals auch getan.

Heute bin ich natürlich nicht mehr so ein Spielkind, also wandern wir nur ein paar Kilometer am Strand rauf und runter, bis uns der Wind zu kalt wird und die Ohren anfangen zu sausen. Das hat sich also nicht geändert...

Und Southport?

Ganz ehrlich? Nach Southport fahre ich vielleicht nochmal, wenn ich 70 bin oder so, denn dann fiele ich da nicht so auf.

In Southport gibt es nur Spielbänke, Schnellrestaurants, eine Kirmeß und einen Motoradladen. Letzterer hat sich an seine Kundschaft anpassen müssen und verkauft nur noch motorisierte Rollstühle.

Mittagessen kann man in einem der vielen Fischrestaurants. Wenn man Fisch mag. Und wenn nicht gerade Montag ist, denn Montag ist in Southport allgemein Ruhetag. Natürlich mag ich keinen Fisch, und natürlich ist Montag. Paßt ja zusammen.

Der linke Teil des Hauses ist unserer, die Mülltonne steht schon bei unserer Nachbarin.

Am Ende essen wir in einem sogenannten Restaurant an der Promenade irgendwelche faden Sachen, an die ich mich nicht mehr erinnern kann und will. Auf die Southport Pier gehen wir auch nur etwa 50m weit, weil der Wind einfach zu kalt ist. Da wir in Formby ja schon am Meer waren, tut mir das auch nicht weiter leid.

Southport? Nee, laß' mal. Ich bleib' lieber in Dänemark.

Adjø,
Jan

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