Moin allesamt!

Indien - Nachspielzeit

Nicht erwähnt hatte ich in meinem letzten Bericht, daß die Kasper in Chennai an meinen Koffer den Zettel meines Kollegen Sergiy aus Kalifornien geklebt hatten und umgekehrt. Mein Koffer war also etwa dreimal so lange unterwegs wie ich und reiste dabei ziemlich genau einmal um den Globus. Seitdem verbeuge ich mich vor ihm, denn er ist das am weitesten gereiste Objekt, daß ich je besessen habe.

Am Montag nach meiner Rückkehr war er allerdings auch schon wieder da, und gesehen hat er von dem ganzen Rummel im Gepäckraum natürlich auch nichts. Schade.

Fussball

Wenn irgendwer in Deutschland denkt, er könne den Trubel wegen der WM nicht mehr ertragen, möge er doch bitte mal einen Tag nach Manchester kommen. Ich zähle jeden Tag auf dem Weg zur Arbeit ein paar neue Flaggen hinter den Fenstern. England braucht zur Zeit keine Vorhänge... und die Wimpel an den Autos sind auch absolut allgegenwärtig hier. Ausserdem redet man über nichts anderes mehr.

Das Gerede hat mich übrigens dazu gezwungen, Stellung zu beziehen in den ewigen "Who do YOU support?" Diskussionen. Mein klarer Favorit (und ich möchte mal so anmassend sein, dies als eine vorbildliche Antwort zu empfehlen): "Ich bin für Deutschland, aber nur wenn sie gewinnen!"

Pöbeln und Stelzen

Wir haben mal wieder den Fehler begangen, ein paar Tage bei Arnd & Carine auf der Pitou zu verbringen. Nicht daß das im Prinzip falsch wäre, aber es führt jedesmal hinterher zu "Wir müssen hier weg!"-Anfällen, wenn wir wieder in Manchester sind.

Es ist zwar eigentlich ganz schön hier in letzter Zeit, aber eben doch nicht vergleichbar mit einem Land, in dem es einfach per se warm und sonnig ist. Mit der wichtigste Punkt ist der Garten: Lilia hat öfter mal ganz urplötzlich Lust, draussen rumzustaken. Dann holt sie ihre Schuhe, hält sie mir hin und sagt -ähm- irgend etwas. Sie sagt es gerne auch mehrfach, mit zunehmender Dringlichkeit. Dummerweise ist es aber oft zu kalt oder zu nass, und dann ist sie frustriert.

Apropos Dinge mit einer gewissen Dringlichkeit sagen: Neulich stand sie auf dem Bürgersteig vor dem Haus, hatte irgend etwas auf der anderen Seite der Strasse entdeckt und pöbelte es an, ganz krass laut. Ich konnte wegen eines Baumes nicht sehen, was sie da anpöbelte, aber nach ein paar Minuten flog eine Elster vom Dach des Hauses gegenüber weg, und Lilia war anscheinend mit dem Ergebnis zufrieden, denn sie nickte und sagte "Hm." Faszinierend.

Vertraut Euren Kindern!

Wenige Minuten später stelzte sie dann zu unseren Nachbarn, die jedesmal wieder geschockt sind, weil ich sie einfach auf dem Bürgersteig rumrennen lasse, obwohl doch direkt daneben die Srasse ist! Meine Tochter ist aber nunmal nicht blöd, und sie weiss genau, daß sie solange den Bürgersteig rauf und runter staken darf, wie sie will, nur eben nicht auf der Strasse. Ausserdem kann ich von meinem Platz auf der Schwelle vor der Haustür einfach über die Mauer springen und bin in spätestens 3 Sekunden bei ihr, falls sie doch mal auf die Strasse laufen sollte.

Laufen, Nicken, Kopfschütteln und Schuhe holen und hinhalten sind nur ein paar der Dinge, die Lilia in letzter Zeit gelernt hat. Es sind aber die Dinge, die aus dem Baby von vor vier Wochen auf einmal ein Kleinkind machen. Man kann sie jetzt einfach irgendwo hinstellen und sie läuft einem hinterher. Oder man kann ihr Essen hinhalten, und sie wird den Kopf schütteln, wenn sie das nicht will.

Der Nachteil ist natürlich, daß mit der besseren Mobilität auch ein grösserer Aktionsradius einhergeht, und damit sind wir wieder bei Südfrankreich: In einem Haus in England ist der Radius immer eingeschränkt, Garten oder nicht Garten. In Südfrankreich ist das anders, denn da lebt man eh mehr oder weniger draussen.

Und damit sind wir auch wieder bei der Zukunft. Zur Zeit mache ich mir Gedanken darüber, wie ich es wohl am besten anstellen kann, mal 5 Jahre oder so in Algerien zu wohnen. Ich würde ja gerne die Sprache lernen, und interessante Berichte kann man von dort garantiert auch schreiben...

Schaunmermal,
Jan