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The Mountains around Orem

Howdy!

Utah ist schön, wenigstens der Teil davon, den ich in den letzten zwei Wochen gesehen habe. Das liegt - Ihr kennt mich - natürlich in erster Linie an den Bergen.

Mormonen

Einige meiner Kollegen habe ich ein wenig näher kennengelernt, und abgesehen von der Geschichte mit dem Alkohol und dem Fluchen sind die eigentlich ganz normal.

Eine Sache ist vielleicht anders als in Europa: Fast alle sind verheiratet und haben Kinder, und dabei sind die meisten nur um die 30. Bei uns wäre in einem durchschnittlichen Büro die Singlequote deutlich höher. Und wenn Kinder, dann auch immer gleich ganz viele.

Cool finde ich, daß fast alle meiner Kollegen irgendein Land in Europa kennen. Die meisten haben ein paar Monate oder sogar Jahre in Deutschland gelebt, in Frankreich, im UK, in Österreich oder in einem anderen europäischen Land.

Komisch? Geht so. Habt Ihr Euch noch nie gefragt, wo eigentlich diese ganzen gutgekleideten "Elder This" und "Elder That" alle herkommen, die einen missionieren wollen? Ja, genau, die kommen aus Utah. Das ist so ähnlich wie bei uns der Wehrdienst, glaube ich.

Blick vom Rock Canyon Overlook auf Rock Canyon. Im Hintergrund Provo und der Utah Lake

Bräuche und Sprache

Mehrere Kollegen amüsieren sich über meinen britischen Akzent und wollen wissen, ob wir Deutschen nicht normalerweise eher einen amerikanischeren Akzent hätten. Das tut natürlich dem Nordengländer in mir weh, schließlich spreche ich richtiges Englisch, nicht die Leute hier in Utah!

Ich hatte auch vollkommen vergessen, daß man sich hier gerne mit "How are you today?" begrüßt, insbesondere wird man so in Läden angesprochen. Mein Manchester-geschultes Gehirn antwortete dann immer "Not too bad, [and] you?", was mir viele verblüffte Blicke einbrachte.

In Utah gibt es nicht nur Toiletten für Frauen und Toiletten für Männer, sondern dazwischen immer auch noch Toiletten für Familien. In Restaurants bekommt man, wie erwartet, keinen Alkohol. Und rauchen darf man erst ab 19. Dafür darf man mit 16 schon Autos fahren und Schußwaffen kaufen. Vielleicht kommt so kein Frust auf und die Jugend braucht weder Tabak noch Alkohol?

Am Sonntagvormittag ist erwartungsgemäß absolut tote Hose, da alle in der Kirche sind (im "Temple"). Überraschenderweise ist aber auch am Samstag- und Sonntagnachmittag in Orem und Provo Niemand zu sehen. Das liegt daran, daß fast alle Einwohner in die Berge fahren zum Grillen oder Wandern. Manche schnappen sich auch große Luftschläuche und schwimmen den Fluß im Provo Canyon runter. Dabei ist der ganz schön kalt... Erinnert mich an's Rafting...

Berge

In den Bergen war ich fast jeden zweiten Tag.

Am Sonntag nach meiner Ankunft machte ich eine längere Tour um den Mount Timpanogos herum, inklusive einer Fahrt im Skilift und wieder zurück. Das dauerte fast den ganzen Tag, war aber irre schön.

Ein paar Tage später fand' ich Squaw Peak Road und den Squaw Peak Overlook, von dem aus man Orem und Provo sehen kann, sowie den Rock Canyon Overlook ein wenig weiter südlich. Letzterer bietet einen schönen Ausblick auf - uhm - Berge.

Squaw Peak Overlook hat den Ruf, hauptsächlich von Jugendlichen besucht zu werden, genauer gesagt von jugendlichen Päärchen. Mir war das nicht aufgefallen (da waren eher viele Touristen), aber es führte jedesmal zu viel Gelächter, wenn ich jemandem erzählte, daß das ein guter Aussichtspunkt ist.

Am Samstag kraxelte ich zunächst zu den Bridal Veil Falls hinauf (man kommt nicht ganz nach oben, aber so auf 1/3), danach wollte ich mal eben sehen, wie schön wohl der Ausblick vom auf 2600m gelegenen Silverville Overlook auf Squaw Peak Road sein mag. In Google Earth und Google Maps sah das nach "nur ein paar Meilen weiter als Rock Canyon Overlook" aus.

Auf dem Weg zum Rock Canyon Overlook wird Squaw Peak Road nach einem Kilometer oder so zu "Squaw Peak Piste", aber die Piste ist angemessen breit, fest und plattgewalzt; kein Problem also für einen Ford Focus.

Was ich nicht wusste: Kurz hinter Rock Canyon Overlook wurde aus der breiten, flachen Piste eine schmale Piste mit fiesen, großen Steinen drauf. Ein paar Mal dachte ich an Umkehren, aber natürlich ging das immer gerade dann nicht, wenn die Stelle am übelsten war. Also fuhr ich (sehr langsam) weiter. Und die Piste wurde immer fieser: mit tiefen Furchen und bösen Bodenwellen und so.

Squaw Peak Road - To boldly go where no rental car has gone before

Nach fast zwei Stunden hatte ich es geschafft, Silverville Overlook. Der Ausblick war aber gar nicht soo toll. Ich wäre gerne noch die 300m auf den Berg gelaufen, denn der war hier relativ flach, aber es war schon recht spät, und ich wollte nur ungern im Dunkeln zurückfahren.

Aprops zurückfahren: Auf dem Rückweg begegnete ich einem Geländewagen, dessen Fahrer mir versicherte, ich könne dort nicht runterfahren. Mein "I know, I came up that way" quittierte er mit einem sehr ungläubigen Blick, einer Pause von etwa 10 Sekunden und einem fast entrüsteten "With THAT?". Dann wünschte er mir Glück und fuhr weiter. Ansonsten gab's da oben nur Quads.

Familienausflug

Einen weiteren Trip machte ich mit zwei Kollegen: Hiking nach der Arbeit.

Hiking zu den Stewart Falls mit Kollegen und Kindern

Ich war ein wenig überrascht, als beide Kollegen mit Kindern ankamen, hatte ich doch erwartet, daß wir einen Berg hochklettern würden. Mit den insgesamt sieben Kindern (davon drei in Rucksäcken auf diversen Rücken) folgten wir einem schönen Pfad durch einen lichten Wald, bis wir nach 2 Meilen bei einem weiteren Wasserfall ankamen. Am Ende des Trips war ich froh, daß wir nichts anstrengenderes unternommen hatten, denn diese 4 Meilen fühlten sich an wie 400, wie der Sohn meines Kollegen Jeff treffend bemerkte.

Es brennt

Am vorletzen Morgen wache ich auf - wie üblich so um 5 rum - und sehe draussen Lichter, die mir noch nicht aufgefallen waren. Aus meinem Zimmer habe ich gute Sicht auf Y Mountain und nach ein wenig Augenreiben und Scharfstellen erhärtet sich mein Verdacht: Da brennt's!

Laut Lokalzeitung hatten am Abend vorher ein paar Leute mit Feuerwerkskörpern gespielt (der 24.7. ist der Tag, an dem vor 200 Jahren die ersten Siedler in der Region eintrafen) und dabei das Gesträuch direkt neben dem Y angezündet.

Der Brand ist nicht groß und die Feuerwehr läßt ihn einfach runterbrennen.

Größer ist da schon der Brand oberhalb der Bridal Veil Falls.

Größeres Feuer oberhalb der Bridal Veil Falls

Vor 40 Jahren wurde ganz oben am Abgrund ein Restaurant gebaut, komplett mit zwei Seilbahnkabinen für die Gäste denn der Pfad dort hinauf ist steil und ohne Equipment nicht zu ersteigen. Vor ein paar Jahren wurde die Seilbahnstation unten Opfer einer Lawine, die von der anderen Seite des Provo Canyon kam. Seither war das Restaurant verlassen. Und nu isses abgebrannt.

Eine Woche vorher hatte ich den Platz voller Bewunderung fotografiert, besonders das Restaurant oben am Felsen hatte es mir angetan. Wie ein Adlerhorst hing es da oben, und die offensichtliche Frage war: Wie bitte haben die das da oben gebaut?

Und nun stehe ich auf einem Parkplatz westlich und sehe zu, wie das ganze Tal oberhalb der Bridal Veil Falls langsam verbrennt. Ab und zu erreicht das Feuer einen trockenen Baum. "Burst into flames" nennen die Anglophonen das, und die Zuschauer auf dem Parkplatz begleiten es mit "Oh!" und "Look! Look!" Rufen.

Das Feuer bei den Bridal Veil Falls bei Nacht

Ein älterer Herr neben mir erzählt mir von der bewegten Geschichte des Restaurants. Schon während der Konstruktion gab es das erste Opfer zu beklagen: Ein Arbeiter fiel mit irgendeinem Vehikel beim Zurücksetzen in die Schlucht. Während er erzählt wird klar daß er an dem Restaurant hing. Hier geht gerade ein Teil der Geschichte Orems in Flammen auf... irgendwie paßt das zum "ist der letzte Tag hier" Gefühl.

Cheers,
Jan

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