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Betrunkene Waliser

Hi,

Sitze mal wieder im Zug, diesmal mitten am Tag. Normalerweise reise ich entweder früh morgens (nach London) oder spät abends (zurück), aber heute mußte ich erst noch ein Training machen und daher sitze ich jetzt mitten am Tag im Pendolino nach London Euston.

Die Mitreisenden sind ganz anders. Die Aussicht ist interessant und ich bin mal nicht zu müde, um sie wahrzunehmen. Der Zug ist nicht so voll wie morgens aber auch nicht so desertiert wie abends. Nur sehr wenige Leute im Anzug, das sieht morgens ganz anders aus.

Alles in allem eine angenehme Erfahrung.

Wo ich das hier gerade nochmal lese kommt mir der Gedanke, ich sollte diesen Krams in Zukunft "Berichte aus dem Zug" nennen... but anyway...

Betrunkene Waliser

In London treffe ich zum ersten Mal unseren neuen VP, gehe mit Kollegen Essen, amüsiere mich in einer Bar über betrunkene Waliser und englische Frauen und erfahre von aufwendigen Trinkspielen.

"English are easy" erklärte mir mein englischer Mitbewohner Joe vor Jahren. Da hat er nicht unrecht. Zumindest sind sie die einzigen Frauen, die sich auch von besinnungslos Betrunkenen noch angraben lassen, ohne sofort die Flucht zu ergreifen.

Die 5 Waliser erscheinen im Pub, als ich gerade mein zweites Bier angehe. Sie tragen (wie die meisten Gäste) Anzug und Krawatte und diesen leicht trüben, irren Blick. Sie singen laut und gröhlen. Sie schubsen und beschimpfen sich gegenseitig und bespucken sich mit Bier. Teil eines Rugbyteams, sternhagelvoll. Wir erfahren, daß sie sich für den Abend in Schale geworfen haben und auf einer Tour durch die Pubs sind.

Die restlichen Gäste sind teils belustigt, teils genervt. Die Barcrew versucht mit ein paar Drohungen, die Eskalation zu vermeiden. Den meisten sind die Jungs aber einfach egal. Singende, betrunkene Rugbyspieler in einem Pub um 10 sind ja keine außergewöhnliche Erscheinung im UK.

Sehr schön finde ich, daß selbst grobschlächtige Rugbyrecken sich im UK für eine Sauftour in Anzug und Krawatte schmeißen. Hat was.

Etwas später sind nur noch die zwei vollsten und schratigsten Waliser übrig. Der vollste versucht sein Geschick an einer etwas älteren Dame, die entgegen aller Erwartung tatsächlich von seinen Avancen angetan ist. Der zweite Schrat und ich probieren derweil, einem Amerikaner von "Little Britain" zu erzählen, einer Fernsehserie die ich vor ein paar Jahren heiß geliebt hatte.

Wir scheitern nicht zuletzt daran, daß man besoffene Waliser noch schlechter versteht als nüchterne.

Was genau der ganz volle Waliser der Dame so zuraunt kann ich hier nicht wiedergeben. Erwähnt sei nur, daß er keine Umschweife macht und die Dinge beim Namen nennt. Besagte Dame weist wiederholt darauf hin, daß sie sich geschmeichelt fühle und durchaus zugeneigt wäre, insbesondere weil sie seit nunmehr 5 Jaren nicht mehr... Ihr wißt schon. Leider sei sie jedoch verheiratet und habe Familie.

Versteh' einer die englischen Frauen...

Angetan bin ich von meinem amerikanischen Kollegen, der das Spektakel ohne Berührungsängste und mit Interesse verfolgt und sich dabei beömmelt. Hätte ich so nicht erwartet. Er ist aber auch nicht aus Orem sondern aus Chicago.

Und ich habe jetzt Kopfweh. Ob das Alter daran schuld ist oder ob's diesmal die Antibiotika waren, kann ich nicht sagen. Ich trinke jedenfalls nie wieder Alkohol!

Circle Line & Monopoly Pub Crawl

A propos "Tour durch die Pubs": London hat zwei interessante Trinkspiele zu bieten.

Das erste nennt sich "Circle Line Pub Crawl". Man besteigt die "Circle Line" Tube an einer beliebigen Haltestelle und steigt dann an jeder der 27 Stops kurz aus und trinkt ein alkoholisches Getränk, üblicherweise ein Half Pint oder einen Shot.

Ein Zug der Circle Line braucht 49 Minuten für die volle Runde, der Crawl dauert natürlich wesentlich länger. Vor 2008 wurde die Circle Line gerne für Parties mißbraucht. Seitdem herrscht aber Alkoholverbot im öffentlichen Nahverkehr und die sind nicht mehr so gut besucht.

Die Circle Line wird voraussichtlich Ende 2009 eingestellt. Ob ich den Crawl bis dahin nochmal hinbekommen werde ist eher fraglich. Schade eigentlich.

Das zweite Spiel heißt "Monopoly Pub Crawl (London Version") und folgt den gleichen Regeln, nur mit den Straßennamen der entsprechenden Version von Monopoly. Je nach Regeln (mit oder ohne Bahnhöfe? Reihenfolge beachten oder nicht?) dauert so ein Monopoly Pub Crawl mal mehr oder weniger lange.

Weil solche Pub Crawls normalerweise in Gruppen gemacht werden, stellt sich die Frage, wie man schnell in einem Pub sehr viele Getränke auf einen Schlag bekommen kann. Dafür gibt es die sogenannten "Scouts". Das sind Teilnehmer des Crawls, die ein wenig schneller trinken und immer kurz vor der Truppe im Pub eintreffen und für alle die Getränke bestellen.

Scout ist ein harter Job. Einige meiner Kollegen haben das schon gemacht und erinnern sich gut, wie gegen Ende des Crawls die Scouts vollkommen fertig an Bars sitzen, immer länger auf das Eintreffen der Gruppe warten und dann irgendwann gemeinsam kotzen gehen.

Wer faul ist, kann sich übrigens bei Wikipedia die Namen der Pubs vorher schonmal raussuchen. Was wären wir nur ohne das Weltweite Internet™?

Cheers,
Jan

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