Moin!
"Bank Holidays" sind im UK ein ganz großer Hit. Sie sind in etwa vergleichbar mit den bundesweiten Feiertagen in Deutschland. Zwei Dinge sind etwas anders:
Erstens sind einige der Bank Holidays nicht fest auf ein Datum gelegt, sondern stattdessen auf einen bestimmten Wochentag. Wir haben hier nicht am 1. Mai frei, sondern am ersten Montag im Mai. Warum? Na weil sonst ja der 1. Mai auch mal nicht frei sein könnte, wenn er nämlich auf einen Samstag oder Sonntag fällt. Und das wäre ja nun unfair!
Abgesehen davon heißt der "May Bank Holiday" auch nicht "Tag der Arbeit". Es gibt einen "Labour Day", aber an dem Tag ist nicht frei, wäre ja eigentlich auch unlogisch. Wieso sollte man ausgerechnet am Tag der Arbeit nicht arbeiten?
Zweitens regnet es gewöhnlich an Bank Holidays, weswegen einige Briten und viele Zugezogene diese Tage zuhause verbringen, anstatt wie alle anderen in Zoos, Parks oder an Strände zu pilgern.
Ausnahmen bestätigen die Regel
Der Mai kommt mit zwei Bank Holidays: ein Montag am Anfang und einer am Ende.
Entgegen aller Vorhersagen war der zweite ein schöner Tag! Also packen wir die Familie in's Auto und fahren die 10 Minuten nach Styal Village um dann im Wald am River Bollin ein wenig spazierenzugehen.
Wir wollten in einen Wald, weil wir uns am Tag vorher beim Picknick im Garten ein wenig die Arme gerötet hatten, bzw. in meinem Fall auch die Kopfhaut.
Der Ausflug im Wald war richtig nett. So weit waren wir vorher noch nicht vorgedrungen wie diesmal. Der Bach (oder Fluß? Wo ist da eigentlich die Grenze?) liegt in einem Tal mit einem bemerkenswert unberührten Mischwald voller kleiner Pfade. Der Bach heißt River Bollin. Wer jetzt an Hobbits denkt, weiß ungefähr, wie der Wald aussieht: Ein wenig nach Tolkien.
Natürlich ist es an schönen Tagen recht voll dort. Aber das fällt im Wald wenig auf.
Der Entdecker im Manne
Auf dem Rückweg zum Auto schläft Ines auf meinem Rücken ein. Weil ich sie nicht wecken will, beschließe ich nach Hause zu laufen. Erstens ist das hoffentlich nicht so weit, und zweitens kann ich dann vielleicht mal herausfinden, wie man vom Golfplatz aus zur "Wildnis" südlich der Yew Tree Farm kommt.
Wer meinen Bericht über die Nord-West-Passage gelesen hat, wird sich erinnern, daß die in Nord-Süd-Richtung verlaufende Bahnlinie bei Heald Green die Grenze zwischen Manchester und Stockport und vor allem ein Hindernis für Touren von uns aus nach Westen darstellt.
Es gibt in unmittelbarer Nähe nur drei Brücken: direkt neben den Bahnhöfen von Heald Green im Norden und Styal im Süden Straßenbrücken und dazwischen eine Fußgängerbrücke. Letztere war damals mein Ziel für die Nord-West-Passage.
Nun liegt der Styal Country Park aber viel weiter südlich und die Fußgängerbrücke wäre ein Umweg gewesen.
Matsch
Kurz nach unserem Umzug waren meine Eltern zu Besuch und hatten zu Fuß die nähere Umgebung erkundet. Dabei folgten sie dem "Public Footpath" neben Yew Tree Farm, der Richtung Süden zu einer Wildnis führt und dann nach Handforth. Der Weg zur Wildnis führte durch bodenlosen Matsch, gegen den der Fußballplatz der Nord-West-Passage ein Krankenhausboden ist und der meine Eltern zur Umkehr zwang.
Also machte ich mich an einem mittelschönen Tag im April oder so auf den Weg, den Weg zu finden und den Matsch zu bezwingen wie Hillary den Berg.
Der Matsch war in der Tat so beeindruckend, wie meine Eltern ihn beschrieben hatten. Deswegen laufen die Hundehalter hier in der Gegend also immer mit Gummistiefeln herum!
Nachdem ich also meine Stiefel fast verloren bzw. versenkt hatte, fand ich mich in der Wildnis wieder. Die erinnert ein wenig an die Boberger Dünen und gefällt mir bis auf die allgegenwärtigen Hundehaufen ziemlich gut.
Die Wildnis wird durchzogen von einem Gewirr von Wegen. Einmal fand ich mich an einem niedrigen Zaun wieder, hinter dem der Golfplatz lag. Trotz des einladenden Schildes "Public Footpath" wollte ich aber nicht riskieren, von einem Ball erschlagen zu werden, und so ging ich weiter nach Südosten nach Handforth und von dort an Straßen entlang wieder zurück nach Hause.
Public Footpath
Heute aber wollte ich diesen Zaun wiederfinden, diesmal vom Golfplatz aus, also von der anderen Seite.
"In England and Wales a public footpath is a path on which the public have a legally protected right to travel on foot." kann man in der Wikipedia lesen.
Neu ist mir, daß Fahrräder auf Public Footpaths verboten sind. Ups, da bin ich doch tatsächlich jahrelang illegal zur Arbeit gefahren!
Anyway, ich war also im Styal Country Park und beschloß, den Weg nach Hause per Golfplatz zu finden!
Ich hatte (ganz Amundsen) mehrere Karten studiert und war zu der Ansicht gelangt der Public Footpath müsse in der Tat quer durch den Golfplatz zur südlich davon gelegenen Straße führen.
Golf ist ein Sport für Snobs
Zum Golfplatz fand ich recht schnell. Ines schlief noch. Das beruhigende Grün eines "Public Footpath" Schildes gab mir Mut.
Ich betrat den Golfplatz, fremdes Land voller Müßiggänger, Freizeittherapiestätte für Nichtsegler, Geldgrab für Wasserscheue. Ich fühlte mich unwohl, fast wie ein Eindringling.
Gleich nach wenigen Metern wurde auch klar, daß es keine weiteren grünen Schilder geben und ich den Public Footpath nicht finden würde. Also fragte ich ein paar Golfer.
Die ersten zwei reagierten ziemlich unwirsch und helfen konnten sie mir auch nicht denn sie waren zum ersten Mal hier. Der zweite war nett aber ziemlich herblassend. Er sei seit 15 Jahren hier und es gäbe keinen Durchgang zur Wildnis ließ er mich wissen und fügte dann noch gönnerhaft einen Tip hinzu: immer schön aufpassen hier, denn wir wollen ja nicht, daß dem Kleinen was passiert, oder?
Der dritte war ganz lässig. Er schickte mich grob in die richtige Richtung ohne genau zu wissen, wo der Ausgang sein möge. An Loch 6 fand ich das Paar Nummer 1 vor, die mir diesmal einen Blick auf ihre Platzkarte zugestanden. Dort war der Footpath eingezeichnet und siehe da: Ich stand etwa 50m neben dem Durchgang. Heureka! Die Süd-West-Passage war gefunden!
Ich fühlte mich wie Magellan, der ja auch die eine oder andere Strapaze auf sich nehmen mußte, damals.
Igitt! Pfui Spinne!
Auf dem Weg nach Hause versank ich dann noch bis zu den Waden im Matsch und verlor fast meine Flipflops und mein Gleichgewicht. Ines war das wohl etwas unheimlich, aber zum Glück war es nicht mehr weit. Laufen in matschigen Latschen ist unschön. Und ein weinendes Kind auf dem Rücken macht es nicht besser.
Leider wird es die Wildnis bald nicht mehr geben, denn die von allen Bewohnern von Heald Green herbeigesehnte Umgehungsstraße wird dort gebaut werden. Ich bin gespannt, wieviel dabei vom Golfplatz dran glauben muß und ob und wo es Brücken über die Schnellstraße geben wird...
Die Süd-West-Passage wird sicherlich so nicht mehr existieren, aber das ist ein guter Anlaß, eine neue Passage zu finden. Und erstmal muß die Schnellstraße ja gebaut werden. Ist ja erst seit 10 Jahren oder so in Planung...
Cheers,
Jan