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Mein Zweites Zuhause in London

Hey,

Neues Teilzeitzuhause

Irgendwas mache ich falsch: Ich war dieses Jahr bereits 4 mal in London und einmal in Wien, ein Trip nach Kopenhagen steht auf der Liste und mindestens noch zwei weitere nach London im Februar. Dabei will ich eigentlich gar nicht so viel unterwegs sein, ich hab' doch Familie!

Ich finde es langweilig, alleine abends im Hotel zu sitzen, selbst skype kann da nichts dran ändern. Also gehe ich stattdessen abends mit den Kollegen aus. Bei uns im UK bedeutet das "was trinken im Pub", besonders in London, wo die Leute so weit auseinander wohnen, daß sie sich sonst nie sehen würden.

Und "was trinken im Pub" fängt zwar je nach Abend unterschiedlich an (die Palette reicht von "nur ein Bier" bis "oh ja, laß uns fett was trinken!"), hört aber mit schöner Regelmäßigkeit gleich auf: Alle sind blau wie Hulle und ich sitze am nächsten Morgen von halb 7 bis 8 in Fötushaltung in der Dusche und fühle mich richtig scheiße. Wird mit zunehmendem Alter auch nicht einfacher.

"The Lukin"

Trotzdem war ich verblüfft, als mich der Barkeeper im "Lukin" vor einer Woche an der Bar warten sah und "Grölsch?" fragte, weil ich dort eben jenes trinke, weil sie kein "Becks 4" haben. Bugger, der erkennt mich schon und weiß, was ich trinken will! This is wrong!

Das "Lukin" ist also mein zweites Zuhause in London.

Mein anderes zweites Zuhause ist der Pendolino.

Ich staple seit einiger Zeit die scheckkartengroßen Bahntickets neben meinem Monitor, warum auch immer. Damit werde ich allerdings bald aufhören müssen, weil der Stapel jetzt so groß geworden ist, daß er umzufallen droht. Wenn ich in Deutschland wohnen täte, würde sich für mich glatt eine BahnCard 100 lohnen, mehr als EUR75 pro Woche für's Bahnfahren habe ich seit Jahresbeginn locker geschafft.

Nicht daß ich mir das wünschen würde... jeder Trip nach London bedeutet immer mindestens 4,5 Stunden im Zug! Allerdings sind die Pendolinos angenehmer als ein ICE. Zumindest ein ICE von 1997, neuere kenne ich nicht. Seitdem bin ich nicht mehr mit den Dingern gefahren, glaube ich. Wow!

Anyway, der Pendolino hat Neigetechnik und die ist schon deswegen cool, weil man manchmal aus dem Fenster unverhofft direkt in den Himmel guckt oder auf den Boden, bevor man merkt, daß es gerade ziemlich sportlich um die Kurve geht. Ohne Nachzusehen merkt man das nämlich kaum.

Ich sitze im Pendolino gerne am Tisch (mit Strom und genug Platz). Damit ich so einen Platz bekomme, nehme ich vorzugsweise den 6:11 von Wilmslow und den 20:40 von London, denn die sind schön leer. Letztere hat auch den Vorteil, daß ich mit den Kollegen nach der Arbeit noch kurz in's Lukin... Ihr wißt schon.

København

Zwei Wochen später und ich sitze in einer MD-82 auf dem Weg von København nach Heathrow, wo ich vorraussichtlich meinen Anschlußflug nach Manchester verpassen werde. In unter 90 Minuten aussteigen, Paßkontrolle, in anderes Terminal rennen, durch Sicherheitskontrolle und zum Gate ist bestenfalls eine sportliche Herausforderung, schlimmstenfalls aber einfach total bescheuert.

København ist schön im Schnee!

Ich war vor 28 Jahren oder so mal in København, kann mich aber nur noch an die Meerjungfrau auf ihrem Stein im Wasser erinnern. Ansonsten drehen sich meine Erinnerungen an Dänemark um Strände auf Samsø, Bunker auf Fanø und die Burg in Helsingør. Und wenn ich noch einmal <Fn>-<Alt>-0-2-4-8 tippen muß für dieses bløde ø, dann werd' ich kirre.

War jedenfalls schøn die zweieinhalb Tage in København. Der Termin am Dienstag war überraschend schnell erledigt. Den Rest des Tages bin ich dann einfach ein wenig herumgelaufen, trotz Blizzardwarnung. Erst habe ich an einer Bude ein Pølser gegessen, bzw. ein Hotdog. Dann fand' ich die Meerjungfrau, deren Stein nicht wie in meiner Erinnerung im Wasser stand, sondern am Ufer, dafür aber mit Eisschollen dekoriert war am Sockel.

Danach lief ich frohen Mutes weiter die Küste entlang nach Norden, den Wind im Rücken und mutterseelenallein. Touristen sind ja nicht doof und rennen durch einen Schneesturm! Dabei war es gar nicht soo kalt. Dachte ich.

Dann beschloß' ich irgendwann, nach Westen in die Stadt zu laufen und von dort nach Süden zurück zum Hotel. Und so unauffällig ein kräftiger Südwestwind ist, wenn man nach Nordosten geht, so fies ist er auf dem Rückweg, wenn er einem die Pupillen sandstrahlen will.

Im Windschatten der Häuser und zwischen Bäumen ging es noch, aber ich mußte auch ein paar freie Flächen überqueren und das war høllisch kalt.

Auf dem Weg zurück zum Hotel laufe ich gegen den Wind. Das sieht man auch.

"Dänen lügen nicht"

Kurz vor dem Hotel sah ich in einem Schaufenster Postkarten und ging rein, um eine mit Meerjungfrau für meine Tøchter zu erstehen und mich ein ganz kleines bißchen aufzutauen. Der Verkäufer fragte, ob es doll schneien würde und ich sagte was von "nicht viel Schnee, aber fieser Blizzard", worauf er antwortete: "oh ja, in Kürze kommt ein Blizzard!" und mir auf seinem Computer den aktuellen Wetterradar zeigte. Da konnte man klar sehen, daß der Schneesturm noch etwa einen oder zwei Kilomter entfernt war. Mann, bin ich froh gewesen, daß ich zum Hotel nur noch zwei Straßen laufen mußte!

Dänen sind ansonsten genau so unhøflich wie Deutsche. Da weicht man mit Koffer auf dem schmal geräumten Gehweg in den Schnee aus und sagt etwa irgendjemand "Tak"? Ein einziger Radfahrer! Alle anderen gehen einfach wortlos vorbei und gucken einen nicht einmal an. Brrrrr.

Warum wohl Engländer so viel høflicher sind als andere Europäer? Würde mich mal interessieren. Hat irgendwer eine Idee?

Cheers,
Jan

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