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Schöner Wohnen

Yo!

Mal was ganz anderes: Wie sucht Ihr Möbel aus? Tapeten? Farbe? Ich frage für einen der davon keinerlei Ahnung hat...

Ich bin Zeit meines Lebens glücklich gewesen, wenn mein Zimmer ein Bett hatte, ein Regal, einen Schreibtisch für den Rechner und einen möglichst guten Stuhl. "Möglichst gut" war extrem relativ, meist saß ich einfach auf Sesseln oder Stühlen, die ich irgendwo umsonst abgestaubt hatte, eine Zeitlang auch auf Sitztonnen und umgedrehten Bierkisten.

Reicht das schon als Indiz, daß ich von Innenarchitektur oder -design keinen Schimmer habe, oder soll ich noch nachlegen?

Fast Weiß

Meine Lieblingswandfarbe war früher immer weiß mit einem Hauch ocker drin. Ich glaube in Frankreich nennt man das "blanc cassée", "kaputtes weiß". Meine Möbel (Schreibtisch, Regal, Hochbett) waren immer "naturbelassen", also je nach Alter mehr oder weniger helles Holz.

Ich habe extrem selten Bilder an Wände gehängt nachdem ich mit Mitte 20 endlich der Posterphase entwachsen war. Einzige Konstante über die Jahre war (und ist!) ein möglichst großer Kalender mit Sternen oder anderen Himmelsobjekten.

Drinnen und Draußen

Beim Haus hört das nicht auf. Auto fällt mir ein, Klamotten, Schuhe...

Noch nie bin ich zu einem Autohändler gegangen und habe versucht dort ein Auto zu erstehen, weil es mir gefällt. Alle meine Autos sind entweder Erbstücke gewesen (Jetta, Peugeot 104, Audi 80, Nissan Sunny) oder relativ uninformierte Spontankäufe bei zufällig ausgesuchten Autohändlern um die Ecke (Vectra, Picasso).

Der Picasso war mit GBP3000 das bei weitem teuerste Auto, das ich je gekauft hatte. Zur Zeit tragen wir uns mit dem Gedanken, sogar fast GBP5000 für ein Auto auszugeben, was sich für mich schon wirklich falsch anfühlt und auch nur daher kommt, daß wir mehr Sitze brauchen und ich lieber ein richtig großes will. Bei den "normalen" 7-Sitzern sind hinten die Sitze so nah am Fenster, daß beim kleinsten Auffahrunfall die Kinder zerdrückt würden. Danke nein.

Update: Wir haben tatsächlich GBP4200 für unser neues Auto ausgegeben, einen Fiat Ulysse von 2005, der auf den Namen "fettes Schiff" hört. War auch wieder so ein mehr oder weniger Spontankauf, obwohl ich mich diesmal vorher über große Autos schlau gemacht hatte und eigentlich nur zwei Kandidaten übriggeblieben waren, die zu Größe und Budget paßten.

Über meine Klamotten muß ich denke ich nur sagen, daß Souad mich Anfang 2009 aufgefordert hat, meinen Lieblingspullover zu entsorgen, den ich anstelle einer Jacke trug, und zwar seit 2002 oder so. Eigentlich war das auch kein Pullover sondern ein Troyer von einem Berufsbekleidungshersteller. Auf dem Weihnachtsmarkt in Hamburg sieht man ihn oft bei Leuten, die am Glühweinstand arbeiten. Und er war grau.

Darf man sich "Trendsetter" nennen, wenn man keinerlei Intention hat, einen Trend zu setzen? Noch vor der großen Flipfloprennaissance in den frühen 2000er Jahren lief ich jahrelang mit Schlappen rum. Das war aber schiere Faulheit gepaart mit "wohnen wo es warm ist". Falls jetzt jemand "guter Riecher" denkt: ganz unpassend. Wenn man mit Schlappen einmal Mittelmeerwasser berührt, fangen sie innerhalb weniger Stunden an zu stinken und hören damit auch nie wieder auf. Bestialisch.

Problem

Ich glaube dabei belassen wir es mal. Ich bin absolut untauglich, wenn es um Design geht oder andere Dinge, die mit Augenschein zu tun haben. Ist einfach so.

Warum genau ist das eigentlich alles problematisch? Ich meine wenn ich so lange keine Probleme gehabt habe, wieso dann jetzt? Zwei Gründe.

Erstens haben wir jetzt ein Haus.

Das ist mir in meinem Leben vorher noch nie passiert, aber so langsam sollte ich mich mal daran gewöhnen. Mit dem Haus kommt eine gewisse Verantwortung, jedenfalls fühlt man das, es wohnlich zu gestalten. Und das ist unabhängig vom Drang, dauernd irgendwas im Haus zu verbessern, natürlich. Verbessern ist ja eher technischer Natur.

Zweitens war es eigentlich immer schon ein Problem, nur kein drängendes. Denn, und das dürfte manchen überraschen, ich habe durchaus eine relativ gute Vorstellung davon, was mir gefällt und was nicht.

In Karlsruhe hatten wir manchmal Diskussionen darüber, ob man wenn man schlecht gekleidet ist anderer Leute schlechte Kleidung bemängeln darf. Ich war immer der Ansicht, daß ich das natürlich darf, solange ich zugestehe, daß ich selber nicht besser aussehe. Ich glaube nicht, daß das "mit zweierlei Maß messen" ist.

Um zum Thema zurückzukommen: Auch ich wohne lieber in einem wohnlichen Haus als in einem von mir eingerichteten Studentenzimmer.

Die Frage ist also: Was tun?

Profi!

Ganz klar: Wenn man etwas so offensichtlich nicht beherrscht, sollte man sich Rat beim Profi holen.

Glücklicherweise lebe ich in einer Welt, in der der Profi oft "Google" heißt oder "Wikipedia", jedenfalls irgendwas mit Internet. So richtig echte Profis hätte ich mir so gut wie nie leisten können, aber für meine Jobs und Hobbies war das Internet bisher immer eine gute Quelle.

Seit 2003 bin ich aber verheiratet und Souad ist ziemlich gut, wenn es darum geht, Geld nicht zu verschwenden. Wir könnten uns also jetzt Profis aller Art leisten, zum Beispiel wäre es denkbar, einen Innenarchitekten oder einen Designer anzuheuern, der unser Haus gemütlich einrichtet. Sowas gibt's bestimmt in Hülle und Fülle im UK.

Nur: Der Gedanke daran läßt mich erschauern!

Wahrscheinlich ist ein Innenarchitekt für mich das, was für meinen Vater "ein richtiges Auto" war: Eingeständnis, daß Jugend und Rebellion jetzt doch irgendwie langsam vorbei sind. Also doof.

Und vielleicht sitzt das noch tiefer. Wenn ich's mir recht überlege, gibt es in meiner Familie eine gewisse Tendenz zum "bloß nicht normal sein", die sich vielleicht am ehesten an meiner Schwester zeigt, jedenfalls an der Zeit nach der Schule, als sie einfach so auszog, um in einem besetzten Haus zu wohnen und es zu renovieren.

Au Weia!

Woran auch immer es liegen mag; ich finde es spannend zuzusehen, wie sich meine Einstellung langsam ändert. Über die Jahre hinweg habe ich langsam aber sicher Trends aufgegriffen.

Angefangen hat es mit den Haaren. In den letzten Jahren gehe ich wie jeder Engländer zum Barber, sage "3 back and sides, please" und bin nach 10 Minuten wieder draußen. Das Ergebnis hätte ich früher "Porschefahrerfrisur" genannt, hier im UK ist es aber einfach was man als Mann über 40 eben trägt.

Schritt 2 war der Hoodie, den ich irgendwann letztes Jahr gekauft habe als Troyerersatz. Erst fand' ich den nur so mittelgut, mittlerweile allerdings habe ich sogar schon zwei von den Dingern, einfach weil sie extrem praktisch sind.

Und in den letzten Wochen habe ich mich öfter dabei ertappt, Steppwesten gar nicht mal so scheiße zu finden, einstmals Symbol für "Ich fahre einen Land Rover Discovery. Ja ja!".

Wahrscheinlich werde ich einfach nur alt.

Schön dabei ist, daß ich diese Phase ausgerechnet im UK haben mußte, wo ja die hiesige Populärmode international eher nicht so hoch angesehen ist. Man erinnere sich an die 80er und neongelbe Socken, an "muffin tops" oder einfach den allgegenwärtigen Hoodie...

Ausgerechnet zu dem Zeitpunkt, wo ich Geschmack und Stil entwickeln (oder mir aneignen) könnte, lebe ich in einer Umgebung, von der die meisten Leute lieber nicht lernen wollen würden. Ich meine die Phase hätte ja auch gut in Südfrankreich einsetzen können, dann hätte ich zumindest eine Chance gehabt, mal mit dem Wort stilvoll assoziiert zu werden. Aber die Chance habe ich wundervoll versäbelt.

Typisch. Und vollkommen ok, finde ich.

Tara,
Jan

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